Bergische Wirtschaft 06/22: Dr. Roland Busch über die Förderung öffentlicher Projekte durch Unternehmen als Win-Win-Situation
Herr Dr. Busch, wie sähen unsere Städte ohne das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft aus?
Städte funktionieren prinzipiell auch ohne das gesellschaftliche Engagement der Wirtschaft, aber natürlich profitieren die Kommunen durch engagierte Unternehmen. Zunächst tragen Unternehmen über die Gewerbesteuer automatisch in erheblicher Weise zur Finanzierung der kommunalen Haushalte bei. Die milliardenschweren Gewerbesteuereinnahmen, die in Mainz derzeit durch Biontech erzielt werden, zeigen, welche Bedeutung diese leider sehr volatile Einnahmequelle für Städte haben kann. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel, welche Abhängigkeiten dadurch entstehen können. Autostädte wie Wolfsburg oder Ingolstadt erfuhren dies in den letzten Jahren schmerzhaft. Das gesellschaftliche Engagement umfasst Unterstützungsleistungen von Unternehmen, die über die Gewerbesteuerabgaben hinausgehen. Von solchem Engagement profitieren die Städte in sehr unterschiedlichem Umfang. Dort, wo engagierte Unternehmen die Stadtentwicklung und Stadtkultur fördern, können Projekte umgesetzt werden, die ohne Unterstützung durch die Wirtschaft nicht realisierbar wären. Städten mit weniger engagierten Unternehmen fehlen diese Möglichkeiten.
Was ist die Besonderheit im Bergischen Städtedreieck?
Das Bergische Städtedreieck ist stärker als andere Regionen wie zum Beispiel das Ruhrgebiet durch inhabergeführte und mittelständische Unternehmen mit langer Entwicklungsgeschichte am Standort geprägt. Diese fühlen sich häufig sehr mit der Region verbunden und engagieren sich dementsprechend stark vor Ort. Durch das starke Engagement konnten in der Vergangenheit Projekte wie die Nordbahntrasse in Wuppertal – die ohne bürgerschaftliches und unternehmerisches Engagement nicht hätten finanziert werden können –, umgesetzt werden. Anders als zum Beispiel in Leverkusen gibt es im Bergischen Städtedreieck nicht einen dominierenden Konzern, sondern eine Vielzahl engagierter Unternehmen, so dass die Gefahr einer finanziellen Abhängigkeit von der Entwicklung eines Einzelunternehmens hier eher gering ist.
Warum engagieren sich Unternehmen in dieser Weise?
Neben der Verbundenheit mit der Region und dem hohen Eigeninteresse von Unternehmern an der Attraktivität ihrer Wohnstandorte stellt der zunehmende Fachkräftemangel eine wichtige Motivation dar. Für Unternehmen – insbesondere für solche an peripher gelegenen Standorten – wird es immer schwerer, hochqualifizierte Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Ein kulturell und städtebaulich attraktiver Standort kann ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Unternehmen darstellen. Darüber hinaus ist eine gute Bildungs- und Forschungslandschaft für den Erhalt der unternehmerischen Zukunftsfähigkeit von Vorteil und entsprechende Investitionen in der Regel gut angelegtes Geld. Generell hat das Thema Nachhaltigkeit und Corporate Social Responsibility, kurz CSR, für Unternehmen in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Gegenüber Kunden, aber zunehmend auch Investoren und Banken spielen die sogenannten ESG-Kriterien, also Environment, Social, Governance, eine immer wichtigere Rolle. Dadurch wachsen auch für Unternehmen ohne historischen lokalen Bezug das Interesse und die Notwendigkeit, sich gesellschaftlich vor Ort zu engagieren.
In welchen Formen der lokalen Unterstützung durch Unternehmen liegt Ihrer Ansicht nach die Zukunft?
Ich denke, dass die allgemeine Nachhaltigkeitsdiskussion und der zunehmende Fachkräftemangel sich weiter positiv auf das lokale Engagement der Wirtschaft auswirken werden. Vor dem Hintergrund werden vor allem Maßnahmen, die die Lebensqualität und Attraktivität der Kommunen erhöhen, im Fokus stehen sowie Investitionen in die Bildung und Innovationsfähigkeit vor Ort. Daneben kann durch CSR-Konzepte auch das soziale Engagement zukünftig stärker in den Vordergrund rücken. Die Kommunen sollten zukünftig noch stärker versuchen, es den Unternehmen durch spezielle Ansprachen und Programme einfach zu machen, sich vor Ort zu engagieren. Ein Beispiel hierfür ist das Angebot der Stadt Nürnberg, Patenschaften für benachteiligte Stadtteile an Unternehmen zu vergeben.
Das Gespräch führte Daniel Boss.
Foto: Süleyman Kayaalp